Unter den 108 Namen im Register des Book of Rosicruciae erscheinen eingereiht unter die Personen aus der Tradition der Renaissance und der frühen Neuzeit (z. B. Agrippa von Nettesheim, Johann Valentin Andreae, Robert Fludd und Michael Maier) auch einige Namen der okkulten Tradition des 18. und 19. Jahrhunders - insbesondere der französischen - (Cagliostro, Eliphas Lévi1, Gérard Encausse/Papus, Stanislas de Guaita; von den Mitgliedern der Societas Rosicruciana in Anglia erscheint nur Hargrave Jennings) ebenso wie für die amerikanische Geschichte bedeutende Personen (Abraham Lincoln, Benjamin Franklin, George Lippard, John Brown u. a.) sowie Freunde, Mitstreiter, Logenleiter und Zeitgenossen Clymers (z. B. Jean Baptist Bricaud, Julian Elias Bucheli, J. Soares de Oliveira, Arnoldo Krumm-Heller und Hans-Rudolf Hilfiker).
Die Angaben Clymers über den Beginn der rosenkreuzerischen Organisation in Amerika, als deren Nachfolger er sich versteht, sind nicht einheitlich. Es ist die Tendenz sichtbar, den Beginn des Ordens immer früher zu veranschlagen.
1916 schrieb Clymer, Randolph habe 1861 in Kalifornien über zehn Wochen Vorträge vor wachsendem Publikum gehalten, wobei ihm die Themen von den Zuhörern zugerufen wurden und er allein durch die Hilfe ,of his own mental power" Auskunft gab. In diesen Trancereden habe er dort ,the Rosicrucian Doctrine" vorgetragen und in diesem Zusammenhang die erste rosenkreuzerische Loge in Kalifornien begründet. Diese Vorlesungen sollen übrigens zugleich den Ausgangspunkt für andere Systeme wie ,New Thought, Theosophy, Mental Science, and all the other isms" gewesen sein.2 Auf seiner Reise durch England, Schottland, Irland, Frankreich, Malta, Ägypten, Arabien, Syrien, Palästina, die Türkei und Griechenland in den Jahren 1861-62 soll Randolph in Frankreich zum ,Grand Master of the true Rose Cross Order of France, and then of the entire World" ernannt worden sein.3
1935 setzt Clymer die Gründung der ersten Großloge durch Randolph noch früher an. Zunächst postuliert er eine Anknüpfung Randolphs an eine ältere amerikanische Organisation, deren ,first Council of the Order of the Rosy Cross in the New World" bereits 1773 stattgefunden habe, aber nicht äußerlich in Erscheinung getreten sei. Die ,first Supreme Grand Lodge, Temple of Order of the Brotherhood or Fraternity" wurde darum in den Jahren 1856-1858 durch Paschal Beverly Randolph begründet, nachdem er auf einer Reise durch Deutschland und Frankreich4 seine ,final initiation" empfangen habe und zum ,Supreme Grand Master of the Supreme Mother Lodge" ordiniert worden sei.5 Auffällig ist an dieser Schilderung die doppelte Herleitung der Autorität: einerseits von postulierten älteren amerikanischen rosenkreuzerischen Wurzeln, die aber nicht als ausreichend erachtet wurden, so daß andererseits eine initiatorische Sukzessionslinie über Frankreich geführt wird.
Zunächst ist es der Hermetic Order of the Golden Dawn, der aufgrund seiner rosenkreuzerischen Bezüge6 und insbesondere durch Crowleys Bemühungen um die Aktivierung eines eigenen Zweiges in Amerika in Clymers Schußlinie gerät. Besonders Crowleys Verbindung mit dem Orden qualifiziert diesen für Clymer schlicht als teuflisch.
,No member of this infernal organization, ever met by the writer was anything but a lying psychic, or a potential devil."7
Crowley habe ,no right to any of the Rosicrucian teachings", und Clymer hätte lieber über ihn geschwiegen, denn ,he and his word should be forgotten", aber wegen seiner besonderen Gefährlichkeit habe er ihn erwähnt.
,The only reason we mention this man Crowley is because he is a great possibility for evil; he is in New York City, and is attempting to establish in that great city lodges of the most deadly and destructive evils."8
Als nächstes begann Clymer einen (wie es scheint erfolglosen) Streit mit der Theosophischen Gesellschaft. Es war ihm nicht recht, daß Annie Besant für ihren ritualistischen Zweig der Theosophischen Gesellschaft, den ,Order of the Temple of the Rosy Cross"9, den Namen des Rosenkreuzes verwendete. Am 21. November 1912 schrieb er einen Brief an den Herausgeber des Theosophical Messenger, in dem er sich über diese Namenswahl beklagte. Es sei allgemein bekannt, daß der Rosenkreuzerorden in Amerika im Jahr 1852 begründet wurde und seitdem in ununterbrochener Linie von Großmeistern bis jetzt existierte. Darüberhinaus sei allen Studenten der Esoterik bekannt, daß der Rosenkreuzerorden , is not Ritualistic, but absolutely Esoteric, or given by Soul Development ." Diese Aussage zeigt sehr deutlich Clymers (in der Nachfolge von Randolph stehende) Auffassung, die hier offenbar stark von derjenigen Annie Besants abweicht. Schließlich legt Clymer seine Meinung dar, daß , it is not right, either under material or under Divine Law, for an newly founded body to take the name that rightly belongs to another body ."10 Zur Untermauerung seiner Ansprüche schickt er einige seiner Schriften mit. In seiner Antwort vom 3. Dezember 1912 fragt A. P. Warrington höflich, aber doch sichtlich amüsiert, ob Clymer ihm nicht sagen könne, wieviele Gesellschaften und Orden bereits existierten, die die Namen ,Rosicrucian, Rose Cross, Rosy Cross, Rose Croix, etc" trügen, ferner wie viele von diesen bereits vor Randolphs Gründung bestanden hätten und ob er denn nicht den freimaurerischen Rose-Croix Grad kenne. Deutlicher ist die Antwort von Annie Besant aus Adyar vom 8. Januar 1913. Sie schrieb:
,The name Rosicrucian is too old and too widely spread for any one of us to claim the exclusive use of it."11
Der ,true Order" sei seit seiner Gründung niemals zugrunde gegangen. Interessant ist ihr Hinweis, er sei ,widely spread in Germany under Dr. Steiner." Darum könne der ,Temple of the Rosy Cross" auch nicht mit Clymers Orden in Konflikt geraten. Clymer bemerkt scheinbar nicht, daß seine sich in juristischen Kategorien bewegende Vorstellung eines national abgeschlossenen Namensraumes und der Versuch der lokalen Anwendung eines Copyrights auf den Namen einer jahrhundertalten international verbreiteten Organisation bei seinen Gesprächspartnern kein Verständnis findet. Jedenfalls erneuert er sowohl gegenüber A. P. Warrington als auch Annie Besant seinen Standpunkt, daß es in Amerika keine Gesellschaft, Orden oder Bruderschaft des Rosenkreuzes vor Randolph gegeben habe und darum , no other Society had a right, either legally, morally, or under Divine Law to take that title and use it ."12 Dies betreffe den Namen ,temple of the Rosy Cross", der von F. B. Dowd bereits 12 Jahre vor der theosophischen Gründung als Buchtitel verwendet und ,copyrighted" sei ebenso wie auch der Ausdruck ,Knight Templars of the Rosy Cross", der seit 17 Jahren einen Grad in den (offenbar mit Clymer assoziierten) ,Illuminati" bezeichne.13
Auch gegen den Gründer der Rosicrucian Fellowship, Max Heindel, hat Clymer polemisiert. Der Inhalt von Heindels 1909 erschienenen ,Rosicrucian Cosmo-Conception" sei ,directly opposed to every doctrine of the true Rose Cross Order, and is, in reality, a compound of Theosophical teachings of German Mysticism."14 Clymer behauptete, Heindel hätte einige Inhalte aus Clymers bereits 1904 publizierten Buch ,The Rosicrucians; Their Teachings" abgeschrieben. Schließlich stört er sich an der Verwendung der Bezeichnung ,Christian Soul Science" durch Max Heindel, da Clymer selbst 1908 unter dem Titel ,Soul Science" eine Reihe von Büchern und Kursen begonnen hatte und darin einen Bruch seines Copyrights sah. Es ist vergleichsweise unwahrscheinlich, daß Heindel tatsächlich durch Clymer auf den Begriff ,Soul Science" gekommen sein soll. Weitaus wahrscheinlicher stellt es eine Übertragung des deutschen Wortes ,Geisteswissenschaft" dar, das Rudolf Steiner häufig zur Bezeichnung seiner Lehren einsetzte. Ein heftiges Protestschreiben Clymers vom 4. Februar 191615 blieb vielleicht darum unbeantwortet.
1. Es zeugt von der ungeheuren Wirkung, die von Eliphas Levi ausging, der großen okkulten Kompetenz, die ihm zugestanden wurde und der umumstrittenen Autorität, die er darstellte, daß er offenbar ohne weitere Begründungsprobleme als Ausgangspunkt und Autorisierungsinstanz verschiedener Rosenkreuzerströmungen erscheint, obwohl er sich selbst nicht unmittelbar als Rosenkreuzer bezeichnet hat oder in dieser Richtung tätig geworden ist.
2. Clymer, Reuben Swinburne: The Rose Cross Order. A Short History of the Rose Cross Order in America, Quakertown 1916, 41. und Anm. 4, 182. Auch diese Aussage zeigt die Tendenz der Vereinnahmng anderer geistesgeschichtlicher Strömungen in die eigene ,Geschichtsschreibung" bei Clymer. Sie ist dennoch bedeutsam in der Hinsicht, daß Randolphs Auftreten keine isolierte Erscheinung war, sondern mit zahlreichen anderen metaphysischen Zeitströmungen im Zusammenhang stand. Vgl. zu dem geistesgeschichtlichen Umfeld in Amerika J. Stillson Judah: The History and Philosophy of the Metaphysical Movements in America, Philadelphia 1967.
6. Clymer zitiert einen Brief, in dem der Hermetic Order of the Golden Dawn als ,Rosicrucian Society" bezeichnet wird. (The Rose Cross Order, 4).