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Paschal Beverly Randolph

  1. Randolph, der Spiritismus und die Freie Liebe
  2. Randolph ein Rosenkreuzer?
  3. Randolphs erste Loge
  4. Die Struktur des Triplicate Order "Rosicrucieae, Phythianae, and Eulis"

Randolph, der Spiritismus und die Freie Liebe

Der Spiritismus hatte in seiner Frühzeit in Amerika neben der religiösen auch eine nicht unbeträchtliche politische Komponente und verband sich mit zahlreichen sozialreformerischen Bestrebungen, wie Deveney betont. Die Anhänger der spiritistischen Bewegung waren von der wissenschaftlichen Haltbarkeit der von ihnen untersuchten Phänomene überzeugt und interpretierten die Mitteilungen aus der geistigen Welt auch als Hinweise für eine bessere Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens. Radikale Theorien und neue Lebensentwürfe verbanden sich mit dem Spiritismus - Abschaffung der Sklaverei, alternative Medizin, Reform des Eherechtes, Feminismus, sozialistische Entwürfe, Naturkost, Steuerreform und die universelle Bruderschaft der Menschheit gehörten u. a. zu den diskutierten Themen. Die später dominierende Frage nach der individuellen spirituellen Entwicklung stand in der Anfangszeit deutlich im Hintergrund gegenüber den die Gemeinschaft betreffenden sozialen Fragen. Die Freiheit von ungerechtfertigten Beschränkungen war dabei vielfach ein wichtiger Aspekt. Freie Rede, freie Presse, gleiche Rechte vor dem Gesetz waren wesentliche Eckpunkte dieser Bestrebungen. Für Randolph gewann in diesem Kontext die als , Free-Love " bezeichnete Richtung eine größere Bedeutung, die in der hergebrachten Form des Ehestandes vorrangig eine institutionalisierte Unterdrückung der Frauen erblickte und sich in besonderer Weise mit dem Spiritismus verbunden hatte.1

In dieser Bewegung sowie in dem Patriarchal Order (später Sacred Order of Unionists ) des amerikanischen Spiritisten John Murray Spear (1804-1887)2 haben Randolphs spätere sexualmagischen Vorstellungen und Theorien ihre Wurzeln. In seiner spiritistisch-medizinischen Praxis, in der er durch Andrew Jackson Davis beeinflußt war, der ihm möglicherweise zu seinem medizinischen Doktortitel verhalf, spielte die Stärkung und Erhaltung der Lebensenergie, der , vital forces " und des , vital fluid " eine zentrale Rolle. Deren Zustand wird vor allem durch sexuelle Probleme bzw. sexuelle Mißbräuche gestört, während sexuelle Erfüllung auch die allgemeine Lebensenergie und damit das Wohlbefinden nachhaltig verbessert.

Randolph ein Rosenkreuzer?

Randolphs Äußerungen erwecken wiederholt den Eindruck, er habe sein Denken lediglich in die Maske des Rosenkreuzertums gehüllt. Andere Aussagen stehen dem entgegen.

Es geht äußerlich betrachtet an diesem Punkt durchaus widersprüchlich zu.

Zunächst ist festzuhalten, daß Randolph wiederholt jegliche Anknüpfungen an frühere Rosenkreuzer bestritten und seine Originalität in dieser Beziehung deutlich herausgestellt hat. In seinem Buch ,Eulis!" schrieb Randolph:

, I studied Rosicrucianism, found it suggestive, and loved its mysticisms. So I called myself The Rosicrucian, and gave my thought to the world as Rosicrucian thought; and lo! the world greeted with loud applause what it supposed had its origin and birth elsewhere than in the soul of P. B. Randolph ."3

An anderer Stelle schrieb er dazu:

, Presently, as I wrote and spoke, here and there, one encouraged me, and called themselves Rosicrucians, not because they were Rose-cross-ists, but because they liked my writings and modes of thought and expression. [...] The whole train of thought and discovery is my own. I have borrowed nothing from any one; and the system, as I conceive, and originated it, is as far beyond what Rosicrucianism, pure and simple, is, as that system is beyond what it was popularly supposed to be. Of course I disclaim all connection and affiliation with any systems but my own, go by whatsoever names they may. Indeed I have give my own name, ,Paschian` from Paschal, as the true title by which, when I am dead, I wish my system of thought to be known. "4

Diese Äußerungen Randolphs sprechen eine deutliche Sprache.

Randolphs erste Loge

Das offizielle Programm von Randolphs erster rosenkreuzerischer Logengründung erscheint recht unspektakulär:

, Usually the Lodges of Rosicrucia meet once a week to hear lectures, exchange courtesies, thoughts, news; to listen to invited guests, debate questions in art, science and philosophy; to mutually inform and strengthen each other; to investigate any and all subjects of a proper nature, and to cultivate that manly spirit and chivalric bearing which so well entitles their possessor to be called a MAN. "5

Dies entspricht der Tätigkeit einer Freimaurerloge, wobei die Übereinstimmung darin fortgesetzt erscheint, daß in dieser ersten Gründung (im Unterschied zu späteren) keine Frauen zugelassen waren. Auch wenn sie nicht genannt werden, hat es wahrscheinlich Rituale und Paßwörter gegeben. Es wurden drei Grade erteilt und neben einer Eintrittsgebühr monatliche Beiträge von einem Dollar erhoben. Beamte dieser Loge werden John Temple, Los Angeles (Grand Master), Col. L. W. Ransom (Grand Sentinel), John Blakey Pilkington (Grand Door), Charles Trinius, Stralsund (Grand Guard), F. H. D., San Francisco (Grand Key), ,Baron" Fischer, San Francisco (Grand Dome) angegeben. Wieviel an Randolphs Beschreibung dieser Logenorganisation Realität und was lediglich Schilderung seines Ideales ist, läßt sich schwer ermitteln. Deveney vermutet, daß die Loge in erster Linie als Sammelbecken und Vorstufe für verschiedene andere okkulte Organisationen diente, die aus den Mitgliedern dieser Loge jene erwählten, die für weitergehende, geheimere und von geringerer öffentlicher Akzeptanz begleiteter Lehren (z. B. Sexual- und Spiegelmagie) geeignet erschienen.6

Später bemühte er sich in Boston, Mitglieder für seinen rosenkreuzerischen Orden zu gewinnen. Über die Gesellschaft berichtet ein anonymes Pamphlet mit dem Titel , Rosicrucian: Out of the Shell " von 1869, daß der , Rosicrucian Club " von Boston am 4. Juli einen Dampfer für einen Ausflug gemietet hat, bei dem eigens komponierte Lieder gesungen und Eiskrem verspeist sowie ein Ausländer mit italienischem Akzent zum Präsidenten gewählt wurde.7 Der gesellige Charakter scheint bei dieser Unternehmung einen beträchtlichen Anteil innegehabt zu haben.

Die Struktur des ,Triplicate Order Rosicruciae, Pythianae, and Eulis"

Die alte Loge von 1861 gilt nunmehr als erster Grad, dem zwei neue Grade folgen. Deren Inhalte werden folgendermaßen beschrieben: Der erste Grad der ,Rosenkreuzer" befaßt sich mit der Geisteswissenschaft und der Erforschung des Unbekannten der Natur und den Tiefen der menschlichen Seele. Der zweite Grad, ,Pythia"8genannt, hat das Bemühen um eine innere Beziehung zum Grund des Universums, dem Gott der Natur und zu den geistigen und unsichtbaren Welten zum Inhalt. Der dritte Grad mit der Bezeichnung ,Eulis" soll von den reichen Schätzen des Denkens handeln, die zu allen Zeiten durch spirituelle Wesenheiten vermittelt worden seien, insbesondere durch ,Marek Gebel" und die Großmeister des übergeordneten Ordens, ,Thotmor" und ,Ramus".9 Diese spirituellen Wesenheiten spielen im Gesamtwerk von Randolph an verschiedenen Stellen eine wichtige Rolle. Wie üblich dienten die niederen Grade dieser Ordenskonstruktion vor allem der Auswahl an geeigneten Personen für die Zulassung zum dritten Grad, dem die speziellen sexualmagischen Übungen Randolphs vorbehalten waren.

In den Orden wurden Männer und Frauen gleichermaßen aufgenommen, wobei jedes Amt von je einer Frau und einem Mann besetzt wurden. Die gewöhnlichen Logenrituale sollen ansonsten üblichen freimaurerischen Gepflogenheiten ähnlich gewesen sein und keine anstößigen Inhalte besessen haben. Auch in seiner äußeren Struktur entsprach der Triplicate Order freimaurerischen Konventionen. Die einzelnen Logen bzw. ,Guilds of Eulis" waren in jedem Staat unter einer eigenen Großloge zusammengeschlossen und ansonsten selbständig beim Erteilen von Graden und Diplomen.

 


1. Deveney: Randolph, 11.

2. Zu Spear vgl. Deveney: Randolph, 15-21.

3. Randolph: Eulis!, 46, zit. n. Deveney: Randolph, 122.

4. Randolph: Soul!, 275-276, zit. n. Deveney: Randolph, 123 f.

5. Randolph: Ravalette, 85, zit. n. Deveney: Randolph, 144.

6. Deveney: Randolph, 145.

7. Zit. n. Deveney: Randolph, 175.

8. Der Name beinhaltet eine Anspielung sowohl auf die Pythia im Orakel von Delphi als auch auf die Schule der Pythagoreer.

9. Vgl. Deveney: Randolph, 232.


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