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AMORC und Rosicrucian Fellowship: Streit um die wahren Rosenkreuzer

Die Konsequenzen der verschiedenen Auffassungen über den Inhalt des Rosenkreuzertums und die Geheimhaltung sind sehr vielseitig. Sie lassen sich am Beispiel des Streites um die Repräsentanz des ,wahren" Ordens zwischen AMORC und Rosicrucian Fellowship gut verdeutlichen. In beiden Organisationen werden so verschiedene Vorstellungen mit dem Begriff ,Rosenkreuzer" verknüpft, daß die Gesprächspartner aneinander vorbeizureden scheinen.

In der AMORC-Zeitschrift ,American Rosae Crucis" vom Mai 1916 legte ein Schüler Max Heindels in einem Leserbrief dar, daß Heindel seine Initiation nach einer Prüfung1 von den einzigen derzeit inkarnierten Älteren Brüdern, d. h. den Angehörigen des echten Rosenkreuzerordens, im deutschen Rosenkreuzertempel erhalten habe. Darum könne es neben ihm keine anderen Personen geben, die sich rechtmäßig als Eingeweihte des ,wahren" Rosenkreuzerordens bezeichnen können. Max Heindel setzt die wahren Rosenkreuzer nicht mit seiner Organisation gleich. Sie sind nach seiner Auffassung hohe Geistwesen, die Menschen lediglich ihre Schüler. Heindels Kontrahent H. S. Lewis versteht unter dem ,echten" Orden etwas ganz anderes, nämlich eine freimaurerähnlich strukturierte irdische Organisation altehrwürdiger Herkunft mit geheimen Tempelinitiationen, wie er sie für die Ägypter postuliert und in seinem AMORC praktiziert. Aus dieser Sicht kommt er lapidar zu der Feststellung:

, If he [Max Heindel] refused to take a pledge of secrecy he could not have been initiated into the Order in any country ."2

So wie die Veröffentlichung der Lehren für die Rosicrucian Fellowship von grundsätzlicher Bedeutung ist, so ist die Geheimhaltung für den AMORC unverzichtbares Kennzeichen des Rosenkreuzertums. Die eigentlichen Lehrinhalte spielen in dieser konkreten Auseinandersetzung demgegenüber eine untergeordnete Rolle, so daß es Lewis genügte, summarisch festzustellen, die von Max Heindel publizierten Inhalte seien , not the true Rosaecrucian secrets ", wie , any Rosaecrucian in the third or higher degrees " sehen könne. In gleicher unbekümmerter Weise werden die Bezeichnungen ,Ältere Brüder" oder die Schülerstufen der Rosicrucian Fellowship , Student", ,Probationer", ,Disciple " abgelehnt, weil sie keine Entsprechung im AMORC haben.3 Eine derartige Argumentation wird - so einleuchtend sie für AMORC-Mitglieder ist - für die Angehörigen der Rosicrucian Fellowship in der Regel unverständlich bleiben.

Solch ein unmittelbarer Schlagabtausch zwischen den verschiedenen um die Nachfolge der ,echten" Rosenkreuzer konkurrierenden Organisationen ist in der Gegenwart selten geworden. Nach meiner Erfahrung scheut man in der Regel die Gegenüberstellung und versucht zunächst, in der Öffentlichkeit die eigene Organisation als die einzige existierende darzustellen. Kommen in der Diskussion andere zur Sprache, wird der eigene Anspruch vorgetragen, sowie darauf hingewiesen, daß der Begriff ,Rosenkreuzer" rechtlich nicht geschützt sei und von jedermann verwendet werden könne. Aussagen über andere Organisationen werden dabei jedoch weitgehend vermieden.

 


1. Die Prüfung bestand Max Heindel, indem er die verlangte Geheimhaltung der vermittelten Lehren ausdrücklich zurückwies! Vgl. im Buch, S. 208.

2. The American Rosae Crucis, Mai 1916, 29.

3. ,, Elder Brothers`? I know of no high officers in the Order bearing such titles." The American Rosae Crucis , Mai 1916, 29.


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